Nepal: Barrieren in Kirche und Gesellschaft überwinden
Stimmen aus der Kirchengemeinschaft: Im Oktober wird die 28-jährige Rinki Soren als erste Pastorin der Evangelisch-Lutherischen Kirche Nepals ordiniert – ein Meilenstein für junge Menschen und Frauen in Leitungsverantwortung.
In diesem Interview erzählt sie von ihrem Aufwachsen in einem nichtchristlichen Umfeld und ihrem Weg als junge Frau ins kirchliche Amt.

Rinki Soren bei der LWB-Ratsversammlung in Addis Abeba 2025. Foto: LWB/ Albin Hillert
Rinki Soren von der Evangelisch-Lutherischen Kirche Nepals
(LWI) – Im Oktober dieses Jahres wird Rinki Soren als erste Frau in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Nepals (NELC) zur Pfarrerin ordiniert. Mit gerade einmal 28 Jahren gehört sie zudem zu den jüngsten Pfarrpersonen einer noch jungen Kirche, die im Jahr 2010 Mitglied des Lutherischen Weltbundes (LWB) wurde. Auf der letzten Vollversammlung des LWB wurde sie als Jugendmitglied in den Rat gewählt.
Die Wurzeln der NELC liegen in der Missionsarbeit des christlichen Arbeiters Phagu Murmu aus Indien, der in den 1930er Jahren im Distrikt Morang in Nepal aktiv war. Im Jahr 1943 wurden die ersten Menschen, mit denen er das Evangelium geteilt hatte, von einem indischen Pastor getauft. So entstand die Kirche als Zweig der Nördlichen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Indien.
Die neue Kirche, die im Jahr 2003 selbstständig wurde, wuchs immer weiter. Vor zwei Jahren, zum 80. Jahrestag der Gründung, wurde Rinkis Vater Joseph Soren als erster Bischof eingesetzt. Bei der jüngsten Ratstagung des LWB in Addis Abeba (Äthiopien) sprach Rinki über ihre Hoffnungen und ihre bevorstehende Ordination.
Wie war es, in einer Familie voller kirchlicher Verantwortungsträger aufzuwachsen?
Ich wurde in eine Familie hineingeboren, die tief im christlichen Glauben verwurzelt ist. Der Vater meiner Mutter war Bischof, und auch väterlicherseits sind drei Angehörige kirchliche Amtsträger. Für meine Schwester, meinen Bruder und mich war es ein großer Segen, in einem solchen Umfeld aufzuwachsen. Gleichzeitig hörten wir von unseren Großeltern, wie schwer es Christinnen und Christen früher hatten: Die Nachbarn lehnten sie ab, sie durften ihr Vieh nicht auf dem Gemeindeland weiden lassen und wurden mitunter sogar aus ihren Häusern vertrieben. Doch ich sah, wie ihr Vertrauen auf Gott sie durch diese Anfechtungen trug. Diese Geschichten haben mich tief bewegt, und ich wollte sie mit anderen teilen.
Haben Sie sich schon damals berufen gefühlt, in ihre Fußstapfen zu treten?
Nein, als junges Mädchen interessierte ich mich überhaupt nicht für den Pfarrberuf. Eigentlich wollte ich Medizin studieren und Chirurgin werden, doch dazu kam es nicht. Mit 18 begann ich, meinen Vater auf Reisen zu humanitären Projekten zu begleiten, die den Menschen halfen, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dabei erkannte ich, dass mein Vater nicht nur Pfarrer ist, sondern zugleich auch Sozialarbeiter – und genau diese Verbindung wollte ich für mich selbst. Australische Freunde ermutigten mich, ein Studium zu wählen, das Theologie mit weltlichen Fächern verbindet. Dafür habe ich mich dann auch entschieden, und heute absolviere ich ein Masterstudium in Krisenmanagement, um mich im Bereich Sozialarbeit weiter zu spezialisieren.
Sie sind auch in der Jugendarbeit Ihrer Kirche aktiv und bereiten sich auf die Ordination vor, richtig?
Mein erstes Jugendtreffen erlebte ich im Haus meines Onkels (des verstorbenen Pfr. John Soren) in Indien. In Lalitpur bei Kathmandu habe ich eine Hausgemeinde gegründet, in der die meisten Mitglieder junge Menschen sind. Meine Schwester und eine Freundin haben mich dabei unterstützt. Auch mein Bruder wächst inzwischen in die Rolle eines Jugendleiters hinein.
Am 31. Oktober, dem Reformationstag – einen Tag vor meinem 29. Geburtstag – werde ich zusammen mit der Frau unseres Generalsekretärs ordiniert. Mir ist bewusst, dass dies eine große Herausforderung wird, doch die anderen Pfarrpersonen werden mich begleiten. Außerdem spüre ich, dass Gott mir einen besonderen Blick dafür schenkt, wie ich unserem Volk dienen kann. Da es in Nepal kaum Frauen im kirchlichen Amt gibt, ist meine Gemeinde sehr stolz, dass eine junge Frau in der Hauptstadt ordiniert werden soll.
Sie haben die Schwierigkeiten erwähnt, die Ihre Großeltern als christliche Gläubige in Nepal erlebt haben. Haben sich die Beziehungen zu anderen Religionsgemeinschaften inzwischen verbessert?
Als Christinnen und Christen sind wir nach wie vor eine Minderheit, und teilweise gibt es auch noch Verfolgung. Es ist also nicht leicht. Die meisten meiner Lehrkräfte kommen von ausländischen Universitäten. Mit meinen Freundinnen und Freunden versuche ich über den christlichen Glauben ins Gespräch zu kommen, und ich erlebe, dass gerade junge Menschen sehr offen für andere Religionen sind. Ältere hingegen sind oft zurückhaltender und stärker in ihren traditionellen Vorstellungen verwurzelt.
Welche Ziele haben Sie in diesem Zusammenhang als Pfarrerin und als Mitglied des LWB-Rates?
Als Pfarrerin möchte ich unseren Jugendlichen theologische Bildung vermitteln und ihnen besonders unsere lutherische Identität näherbringen. Die Bibel können wir gemeinsam mit anderen Christinnen und Christen studieren, aber in Nepal gibt es bislang keine Einrichtung für lutherische Studien. Als Ratsmitglied hoffe ich, dass durch mich mehr junge Menschen aus Asien inspiriert werden und erkennen, dass wir ein wesentlicher Teil der LWB-Gemeinschaft sind und eine eigene Identität einbringen, die auch kommende Generationen prägen kann.
Ich hoffe, dass durch mich mehr junge Menschen aus Asien inspiriert werden und erkennen, dass wir ein wesentlicher Teil der LWB-Gemeinschaft sind und eine eigene Identität einbringen, die auch kommende Generationen prägen kann.
Rinki SOREN, Mitglied des LWB-Rates, Evangelisch-Lutherische Kirche Nepals
Wie sind sie zum ersten Mal mit dem LWB in Kontakt gekommen?
Im Jahr 2019 lernte ich den LWB durch meinen Beitritt zum Global Young Reformers Network kennen. Dann nahm meine Schwester am LWB-Programm der Peace Messengers in Kambodscha teil, und ich selbst war bei einem Jugendaustausch mit der Kirche in Indien. Vorher hatte ich nur am Rande wahrgenommen, dass mein Vater an Sitzungen des LWB teilnahm. Durch die Young Reformers habe ich die weltweite lutherische Kirchengemeinschaft besser kennengelernt und verstanden, wie wir als junge Menschen darin wachsen können. Außerdem gibt es das Netzwerk der west- und südasiatischen lutherischen Gemeinschaften (WeSALUC) mit einer Chatgruppe, in der wir unseren Glauben teilen und uns gegenseitig unterstützen.
Als weltweite Kirchengemeinschaft blicken wir auf das 500. Jubiläum des Augsburger Bekenntnisses im Jahr 2030. Wie wollen Sie und Ihre Kirche dieses Ereignis begehen?
Ich hoffe, dass ich für die 14. LWB-Vollversammlung 2030 ein Visum bekomme und teilnehmen kann. Für uns ist das immer noch außerordentlich schwierig, vor allem wenn man jung ist und unverheiratet. Häufig wird unterstellt, wir würden nicht zurück in unsere Heimatländer gehen. Für die letzte Vollversammlung in Polen habe ich kein Visum bekommen, konnte aber an der Vorbereitenden Konsultation in Malaysia teilnehmen. Ich möchte mehr über die Ursprünge unserer Kirche in Deutschland erfahren und anderen zeigen, wie wir als weltweite Gemeinschaft wachsen.