Mut zum Frieden: LWB bei Sant‘Egidio-Friedenstreffen
Aufgerufen, Frieden zu stiften: Lutherische Kirchenleitende tagen mit Vertreterinnen und Vertretern christlicher, muslimischer, jüdischer, hinduistischer, buddhistischer und anderer Glaubensgemeinschaften in Rom.
Von links nach rechts, stehend: LWB-Vizepräsidentin Bischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, LWB-Präsident Bischof Henrik Stubkjær und der Direktor der LWB-Abteilung für Theologie, Mission und Gerechtigkeit, Pfr. Dr. Sivin Kit, mit Kondo Koko, einer Überlebenden des Atombombenabwurfs von Hiroshima, beim Friedenstreffen von Sant‘Egidio. Foto: Sant‘Egidio
Führungspersonen des LWB und andere Verantwortliche aus Religion und Politik zu Gesprächen über Herausforderungen der Friedensarbeit in Rom
(LWI) – Führende Vertreterinnen und Vertreter des Lutherischen Weltbundes (LWB) haben diese Woche an einem internationalen Friedenstreffen der Gemeinschaft Sant‘Egidio in Rom teilgenommen. Im Rahmen des Treffen, das vom 26. bis 28. Oktober stattfand und an dem hunderte Führungspersonen aus Religion, Politik und Sozialwissenschaften sowie Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft teilgenommen haben, wurden im antiken Kolosseum in Rom und darum herum Gebete für den Frieden gefeiert. Die Abschlussrede hielt Papst Leo XIV.
Unter den zahlreichen Podiumsteilnehmenden zu verschiedenen Aspekten des Themas „Mut zum Frieden“ waren LWB-Präsident Bischof Henrik Stubkjær, die LWB-Vizepräsidentin für die Region Mittel- und Westeuropa, Bischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, und der Direktor der Abteilung für Theologie, Mission und Gerechtigkeit, Pfr. Dr. Sivin Kit. Arbeitsschwerpunkte der in über 70 Ländern weltweit vertretenen Gemeinschaft Sant‘Egidio sind das Gebet, der Dienst an den Armen und der Einsatz für den Frieden.
Bei einem Forum mit dem Titel „Europa in der zukünftigen Welt“ betonte Präsident Stubkjær, die Menschen in Europa müssten in ihrem Engagement für Freiheit, Würde und den Dienst an den Notleidenden mutig und wachsam sein. Die Verantwortlichen in Politik und Kirche hätten die gemeinsame Aufgabe, Teilhabe zu ermöglichen, Vertrauen in die Gesellschaft aufzubauen, Unrecht zu bekämpfen, Zeichen der Hoffnung zu erkennen und zu stärken, sowie Menschen in Not zu unterstützen.
Die Welt, so der LWB-Präsident, stehe vor beispiellosen Herausforderungen, darunter die Klimakrise, wachsende Ungleichheit und Polarisierung sowie ein Paradigmenwechsel in der globalen Agenda weg von internationaler Entwicklung und Zusammenarbeit hin zu Militarisierung und Separatismus. Mit Blick auf die Klima- und die Sicherheitsagenda müssten alle politisch Verantwortlichen zusammenarbeiten und dabei „den Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und die Verteidigung von Demokratie und Freiheit legen“.
Die Kirchen in Europa müssen sich noch stärker für die Einheit aller christlichen Gläubigen und den religiösen Dialog einsetzen.
LWB-Präsident Bischof Henrik Stubkjær
Die Kirchen in Europa, so Bischof Stubkjær weiter, sollten sich noch stärker für die Einheit aller christlichen Gläubigen und den religiösen Dialog einsetzen und so ihr Engagement für einen gerechten Frieden, für Freiheit und Hoffnung verstärken. Sie sollten ihre gemeinsame humanitäre Hilfe ausweiten, ihre Fürsprachearbeit und ihr öffentliches Zeugnis ausbauen und durch ihr Handeln für eine gerechte, friedliche und versöhnte Welt „christliche Hoffnung verkünden“. Er betonte insbesondere: „Wenn wir echte Veränderungen in Richtung Frieden erreichen wollen, müssen wir jungen Menschen und Frauen mehr Raum geben“ – in der Leitung und bei den Entscheidungsprozessen der Kirchen.
Zeugnis ablegen für die Wahrheit der Liebe Gottes
Bei einem Forum zum Thema „Widerstand gegen das Böse: Die Märtyrer unserer Zeit“ unterstrich Pfr. Dr. Sivin Kit, dass das christliche Kreuz nicht als Zeichen des Friedens und der Hoffnung gesehen, sondern instrumentalisiert und missbraucht werden könne. Er erinnerte an die ursprüngliche Bedeutung des griechischen Wortes „Märtyrer“, das einfach „Zeuge“ bedeutete. Bevor der Begriff die Bedeutung „für seinen Glauben sterben“ bekam, so Kit, habe es einfach mit „für die Wahrheit leben“ übersetzt werden können. Märtyrerinnen und Märtyrer von heute seien diejenigen, „die Unrecht sehen und nicht schweigen können. Sie spüren Gottes Liebe und müssen sie weitergeben.“
Kit nannte Beispiele für lutherische Märtyrerinnen und Märtyrer der jüngeren Vergangenheit, die sich trotz der Gefahr für Leib und Leben zu ihrem Glauben bekannten und das Evangelium verkündeten. Da waren etwa der Theologe und ehemalige Generalsekretär der Äthiopischen Evangelischen Kirche Mekane Yesus, Gudina Tumsa, der während der Militärdiktatur in den 1970er Jahren ermordet wurde, und die nicht-ordinierte kirchliche Führungsperson Hélène Ralivao aus Madagaskar, die 2020 wegen ihres Engagements für die Bildung und Zurüstung von Frauen zu mehr Selbstbestimmung getötet wurde. In ihrem unermüdlichen Kampf gegen Gewalt gegen Frauen, so Kit, stehe sie stellvertretend für zahllose Frauen in ganz Afrika und darüber hinaus, die unter großen Opfern Zeugnis ablegen. Der nach ihr benannte Hélène-Ralivao-Fonds des LWB „ist Ausdruck unseres Eintretens für gerechte Beziehungen in der Welt“, sagte Kit.
Er erwähnte aber nicht nur Einzelpersonen, sondern auch ganze Völker und Bevölkerungsgruppen, die „gemeinsam das Kreuz schultern“. Er erinnerte an das Leid der Menschen in der Ukraine, in den palästinensischen Gebieten, in Nigeria, Myanmar und anderen Ländern, wo christliche Gläubige Gewalt, Einschränkungen und anderen Herausforderungen ausgesetzt sind und sich dennoch „weiterhin zum Kreuz bekennen und die Liebe Gottes bezeugen, auch wenn es gefährlich für sie ist“. Kit zitierte Dietrich Bonhoeffer, der für seinen Widerstand gegen den Nationalsozialismus vielen als Märtyrer gilt, und betonte, die Märtyrerinnen und Märtyrer der heutigen Zeit legten Zeugnis ab für die Wahrheit, „dass nicht Leiden an sich etwas Gutes ist, aber dass Gottes Gegenwart im Leiden zu spüren ist“ und Liebe Gewalt verwandeln kann.
Armut als Frage des Glaubens
In ihrem Impulsvortrag bei dem Forum „Eine ungleiche Welt: Welche Alternativen gibt es?“ beschäftigte sich die LWB-Vizepräsidentin, Bischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, mit „dem großen Paradox unserer Zeit: Wir leben in einer immer reicher werdenden Welt, in der es immer mehr Arme gibt.“ Sie betonte, dass dringend globale Lösungen erforderlich seien, und erklärte: „Eine Welt, die nur innerhalb nationaler Grenzen denkt, wird an globalen Problemen scheitern.“ Kirchen und Glaubensgemeinschaften müssten zusammenstehen und gemeinsam handeln, betonte die Bischöfin und verwies auf das Grundprinzip „von der lokalen zur globalen Ebene“, das für das Engagement des LWB für Menschenrechte und Teilhabe, Frieden und Versöhnung sowie Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit gelte.
Für Kühnbaum-Schmidt, die auch Vorsitzende des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes ist, ist klar: „Armut ist nicht nur ein soziales Thema. Sie ist auch eine Frage des Glaubens“, und rufe uns auf, „zu überlegen, wie wir in dieser Welt Kirche sein wollen“. Unser Handeln als gläubige Menschen müsse Beziehungen, Begegnung und Gemeinschaft fördern. „Echter Frieden und echte Gerechtigkeit entstehen, wenn wir einander zuhören, voneinander lernen und gemeinsam handeln – als Kirchen, Moscheen, Synagogen, Tempel, als zivilgesellschaftliche Gruppen, als globale Gemeinschaft“, so Kühnbaum-Schmidt abschließend.