Lokaler Kontext muss in globale Klimaverhandlungen einfließen

21 Nov 2025

LWB-Delegierte, die an der UN-Klimakonferenz COP30 in Belém, Brasilien, teilnehmen, hören im Rahmen ihrer Weiterentwicklung von Führungskompetenzen und ihrer Fürsprachearbeit für mehr Klimaschutz Erfahrungsberichte der Menschen vor Ort.

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 interreligiösen Zusammenkunft im Geiste des sogenannten Talanoa-Dialogs in der EKLBB-Gemeinde von Belém

Carine Josiéle Wendland von der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien spricht bei einer interreligiösen Zusammenkunft im Geiste des sogenannten Talanoa-Dialogs in der EKLBB-Gemeinde von Belém, zu der der interreligiöse Verbindungsausschuss des UNFCCC am Eröffnungstag des UN-Klimagipfels COP30 (10.-21. November 2025) im brasilianischen Belém eingeladen hatte. Foto: LWB/A. Hillert

Stimmen des Glaubens treten auf COP30 für Hoffnung, Gerechtigkeit und Solidarität ein

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist durch eine Delegation zurzeit sowohl online als auch vor Ort im brasilianischen Belém auf der COP30 vertreten. In Belém sind es vor allem junge Delegierte aus der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (EKLBB), einer Mitgliedskirche des LWB, die den LWB vertreten.  

Neben den offiziellen Verhandlungen am Veranstaltungsort der 30. Konferenz der Vertragsparteien (COP30) des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen (UN) über Klimaänderungen (UNFCC) gibt es ein breites Spektrum zivilgesellschaftlichen Engagements, nicht zuletzt in Gestalt eines „People’s Summit“ und eines von der ökumenischen und interreligiösen Initiative TAPIRI koordinierten umfassenden Programms.

So hat es insbesondere ein von jungen Erwachsenen der ELKBB initiiertes Projekt zu Klimagerechtigkeit mit Unterstützung des LWB ermöglicht, eine Verbindung zwischen der Fürsprachearbeit und dem Engagement auf der COP30 und dem geografischen und kulturellen Kontext herzustellen, in dem der diesjährige Gipfel stattfindet. Der interkulturelle Austausch im Rahmen dieser Initiative fördert darüber hinaus die Führungskompetenzen der Beteiligten.

Luiz Henrique Seidel, der nationale Koordinator des Jugendbeirats der EKLBB erzählte, die Inspiration, sich auf diese Weise bei der COP30 zu engagieren, sei für ihn unter anderem aus seinen Erfahrungen bei einem Trainingsworkshop des LWB für Friedensbotschafterinnen und -botschafter vor einigen Jahren hervorgegangen.

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Menschen versammeln sich zu einer „Barqueata“ – einer vom „People's Summit“ organisierten Klimademonstration

12. November 2025, Belém, Brasilien: Menschen versammeln sich zu einer „Barqueata“ – einer vom „People's Summit“ organisierten Klimademonstration mit Booten auf den Flüssen rund um die Stadt – während der Klimakonferenz COP30 der Vereinten Nationen (10.–21. November 2025 in Belém, Brasilien). Foto: LWF /A. Hillert

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Der nationale Koordinator des EKLBB-Jugendbeirats, Luiz Henrique Seidel, bei einer interreligiösen Zusammenkunft im Geiste des Talanoa-Dialogs am Tag der Eröffnung des UN-Gipfels. Foto: LWB/A. Hillert

Der nationale Koordinator des EKLBB-Jugendbeirats, Luiz Henrique Seidel, bei einer interreligiösen Zusammenkunft im Geiste des Talanoa-Dialogs am Tag der Eröffnung des UN-Gipfels. Foto: LWB/A. Hillert

„Durch den Trainingsworkshop für Friedensbotschafterinnen und -botschafter sind mir Themen rund um Gerechtigkeit viel bewusster geworden und ich wurde bestärkt, mich für Gerechtigkeit zu engagieren und aktiv zu werden, anstatt nur darauf zu warten, dass sich alles von selbst einstellt“, erklärte Seidel.

„Ich habe angefangen, mich aktiv für Gerechtigkeit einzusetzen und zunächst geschaut was ich selbst tun kann, statt darauf zu warten, dass andere etwas unternehmen. Aber ich wollte nicht nur im Bereich Klimagerechtigkeit etwas für die Welt tun, sondern auch in Sachen Gender- und mittlerweile auch Generationengerechtigkeit. Es geht also auch darum, im weiteren Sinne nach Frieden zu streben, Frieden zu schaffen. Friedensbotschafterin oder Friedensbotschafter zu sein bedeutet nicht nur, eine Botschaft zu überbringen, sondern auch aktiv etwas zu gestalten, ein Umdenken zu bewirken“, sagte er.

Wir können einen Beitrag zur COP leisten, indem wir der Welt zeigen, dass wir gläubigen Menschen – und in unserem Fall konkret wir lutherischen Christinnen und Christen – uns Sorgen um das Klima machen, dass diese Welt für uns Gottes Schöpfung ist und dass auch wir ein Teil davon sind.

LWB-Delegierter Natan Schumann, Evangelische Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien  

Die Verwurzelung an der Basis gehört seit langem zur Strategie der LWB-Arbeit für Klimagerechtigkeit: lokale Zusammenhänge müssen in die globale Arbeit einfließen und diese müssen dann wieder auf die lokale Ebene zurückgeführt werden.

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Ruth Alesandra Choque Huanca von der Bolivianischen Evangelisch-Lutherischen Kirche spricht auf einer vom Interreligiösen Verbindungsausschuss organisierten Pressekonferenz

Ruth Alesandra Choque Huanca von der Bolivianischen Evangelisch-Lutherischen Kirche spricht auf einer vom Interreligiösen Verbindungsausschuss organisierten Pressekonferenz über „Stimmen des Glaubens auf der COP30 zu den ethischen Aspekten der Verhandlungen und Klimaschutzmaßnahmen.“ Foto: LWB/A. Hillert

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Blick auf den Stadtteil Pedreira in Belém während des UN-Klimagipfels COP30, der vom 10. bis 21. November 2025 in Belém, Brasilien, stattfindet. Foto: LWB/A. Hillert

Blick auf den Stadtteil Pedreira in Belém während des UN-Klimagipfels COP30, der vom 10. bis 21. November 2025 in Belém, Brasilien, stattfindet. Foto: LWB/A. Hillert

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Eine Frau reckt bei einem Klimaprotest während der COP30 ihre Faust in die Luft. Foto: LWB/A. Hillert

Eine Frau reckt bei einem Klimaprotest während der COP30 ihre Faust in die Luft. Foto: LWB/A. Hillert

Auch Elena Cedillo, Programmreferentin für Klimagerechtigkeit beim LWB, erklärt, dass Kirchen eine wichtige Rolle bei der Begleitung von Gemeinwesen spielen, die unter den Folgen des Klimawandels leiden. Gleichzeitig können die Kirchen selbst als betroffene Gemeinschaften wertvolles Wissen über Anpassungsmaßnahmen und den Aufbau von Resilienz auf individueller Ebene, als Gruppen und Institutionen einbringen und ihre prophetische Stimme erheben, um Gerechtigkeit einzufordern und zum Handeln aufzurufen. 

„Durch unser Mitwirken bei der COP machen wir deutlich, wie wichtig uns Klimagerechtigkeit ist. Wir bringen Wissen und die Weisheit und die Erfahrungen unserer Glaubensgemeinschaften ein, um Entscheidungen zu beeinflussen, die Auswirkungen auf die gesamte Menschheit haben“, so Cedillo.  

Begegnung mit Menschen in Vila da Barca  

In den ersten Tagen der Klimakonferenz besuchten Delegierte des LWB gemeinsam mit Mitgliedern der ebenfalls dem LWB angehörenden Schwedischen Kirche das Viertel Vila da Barca am Stadtrand von Belém, in dem etwa 1.400 Familien bzw. 6.000 bis 7.000 Menschen leben.

Die Menschen leben dort in so genannten ‚Palafitas‘, kleinen Holzpfahlhäusern, die über dem Wasser errichtet wurden, am Rande der Guajará-Bucht, einem Teil des größeren Amazonas-Deltas. 

Marciele Diniz, Mitglied und Schatzmeisterin der EKLBB-Gemeinde in Belém, empfing die Delegierten in der Gemeinde, in der sie aufgewachsen ist und noch heute lebt. Die Gemeinde selbst war aus einer Gruppe benachteiligter Menschen hervorgegangen, von denen viele Frauen mit Kindern waren, deren Väter die Familie verlassen hatten. 

Diniz berichtete, dass die Menschen in hier seit jeher unter Umweltrassismus leiden. Es fehlt der Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen, und sie leiden unter den Folgen der Verschmutzung durch Abwässer aus den wohlhabenderen Teilen der Großstadt, die genau in Vila da Barca in den Fluss geleitet werden.

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Marciele Diniz, Mitglied und Schatzmeisterin der örtlichen EKLBB-Gemeinde, führt durch ihre Gemeinde in Vila da Barca. Foto: LWB/A. Hillert

Marciele Diniz, Mitglied und Schatzmeisterin der örtlichen EKLBB-Gemeinde, führt durch ihre Gemeinde in Vila da Barca. Foto: LWB/A. Hillert

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Abwasser aus einem wohlhabenderen Teil von Belém fließt aus einem Rohr an der Küste in Vila da Barca. Foto: LWB/A. Hillert

Abwasser aus einem wohlhabenderen Teil von Belém fließt aus einem Rohr an der Küste in Vila da Barca. Foto: LWB/A. Hillert

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’Palafitas’ – Pfahlhäuser am Ufer – hier in der Gemeinde Vila da Barca. Foto: LWB/A. Hillert

’Palafitas’ – Pfahlhäuser am Ufer – hier in der Gemeinde Vila da Barca. Foto: LWB/A. Hillert

Hinzu kommt, dass durch die Lage direkt an der Guajará-Bucht und das sich verändernde Klima Häuser, die ursprünglich ausreichend hoch über dem steigenden und fallenden Wasserstand des Flusslaufs standen, nun immer wieder von Überschwemmungen betroffen sind. Das Wasser stehe in den Küchen und Wohnzimmern der Menschen manchmal kniehoch, erklärte sie.

Pfarrer Romeu Martini von der EKLBB-Gemeinde in Belém berichtete von den engen Verbindungen zwischen der lutherischen Kirche in Brasilien und der Gemeinde in Vila da Barca.

„Seit den 1980er Jahren und bis 2015 haben wir diese Gemeinde als Kirche durch unsere diakonische Arbeit unterstützt, und zwar nicht zuletzt durch soziale Angeboten: Wir haben hier Räume für Begegnung und Gemeinschaft geschaffen, und Kunst und andere Aktivitäten angeboten“, sagte er.

„Obwohl wir hier im Augenblick keine konkreten Projekte haben, ist uns klar, dass die Menschen hier in Vila da Barca der lutherischen Kirche Vertrauen entgegenbringen. Die Bevölkerung hier hat großes Vertrauen in uns als Kirche und auf beiden Seiten besteht der Wunsch, neue Projekte zu starten, um die Gemeinde auch in Zukunft zu unterstützen“, so Martini.

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Socorro Contente (links), die gemeinsam mit der EKLBB einen Nachbarschaftsverein in Vila da Barca gegründet hat, empfängt die LWB-Besuchsgruppe. Foto: LWB/A. Hillert

Socorro Contente (links), die gemeinsam mit der EKLBB einen Nachbarschaftsverein in Vila da Barca gegründet hat, empfängt die LWB-Besuchsgruppe. Foto: LWB/A. Hillert

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Vertreterinnen und Vertreter des LWB, u. a. eine Gruppe von jungen Erwachsenen von der EKLBB und ein Bischof der Schwedischen Kirche, Andreas Holmberg, besuchen Vila da Barca. Foto: LWB/A. Hillert

Vertreterinnen und Vertreter des LWB, u. a. eine Gruppe von jungen Erwachsenen von der EKLBB und ein Bischof der Schwedischen Kirche, Andreas Holmberg, besuchen Vila da Barca. Foto: LWB/A. Hillert

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Marciele Diniz aus Vila da Barca (rechts) im Gespräch mit Carine Josiéle Wendland von der EKLBB (links). Foto: LWB/A. Hillert

Marciele Diniz aus Vila da Barca (rechts) im Gespräch mit Carine Josiéle Wendland von der EKLBB (links). Foto: LWB/A. Hillert

Für den LWB-Delegierten Natan Schumann, der erstmals 2021 als LWB-Delegierter an der COP im schottischen Glasgow teilgenommen hatte, sind die gezielte Einbindung lokaler Gemeinschaften und die Vielzahl der Aktivitäten rund um die diesjährige COP positiv zu bewerten.   

„Ich halte es für eine interessante Möglichkeit, sich im Rahmen der COP zu engagieren und gleichzeitig Wissen in diese Gemeinde und in die gesamte Kirche zurückzubringen“, meinte er.  

„Wir können einen Beitrag zur COP leisten, indem wir der Welt zeigen, dass wir gläubigen Menschen – und in unserem Fall konkret wir lutherischen Christinnen und Christen – uns Sorgen um das Klima machen, dass diese Welt für uns Gottes Schöpfung ist und dass auch wir ein Teil davon sind. Wenn es der Schöpfung nicht gut geht, geht es auch uns nicht gut“, so Schumann.  

Schwerpunkt: Leitungsverantwortung junger Menschen  

Auch die LWB-Jugendreferentin Savanna Sullivan nimmt an der COP teil und legt dabei besonderes Augenmerk auf die Begleitung der jungen Delegierten im Hinblick auf die Entwicklung ihrer Führungskompetenz und die Verknüpfung zwischen Advocacy-Arbeit und Theologie aus der Sicht von jungen Erwachsenen. 

Das Engagement der jungen Menschen bei der diesjährigen COP sei „genau das, worauf der LWB als weltweite Kirchengemeinschaft hinarbeitet“, sagte sie. Viele von ihnen hätten auch an verschiedenen Führungs- und theologischen Fortbildungsmaßnahmen des LWB teilgenommen, die an einen ganzheitlichen Klimaschutz anknüpften und dazu dienten, „den Wandel herbeizuführen, den wir in der Welt so dringend brauchen“, erklärte sie.  

„Wenn wir Gottes Aufruf zur Nächstenliebe folgen und auf diese Weise die Welt verändern wollen, dann passiert das nicht durch politische Institutionen und kann auch nicht nur von der Kanzel verkündet werden. Wir müssen uns mit unserem ganzen Wesen, unserem ganzen Gemeinwesen, unserer ganzen Person, unserer Theologie, unserer Kreativität und unserem politischen Handeln für diesen Wandel einsetzen“, schloss Sullivan. 

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LWB-Delegierte unterstützen vom Ufer aus die „Barqueata“ – eine Klimademonstration mit Booten, initiiert vom „People's Summit“ im Rahmen der COP30. Foto: LWB/A. Hillert

LWB-Delegierte unterstützen vom Ufer aus die „Barqueata“ – eine Klimademonstration mit Booten, initiiert vom „People's Summit“ im Rahmen der COP30. Foto: LWB/A. Hillert

Der LWB-Delegation bei der COP30 gehören Kirchenleitende – Männer, Frauen und junge Erwachsene – aus allen Kontinenten an, die zeigen, wie Advocacy-Arbeit vor Ort zu Lösungen für den Klimanotstand und zu politischen Maßnahmen zum Schutz der am stärksten gefährdeten Menschen beiträgt. Die Delegation arbeitet mit der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien und anderen kirchlichen Partnern in Online- und Präsenzsitzungen zusammen. 

LWB/A. Hillert
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Brasilien