Ein Netzwerk für Frauen in der Kirche stärken
Zwei Koordinatorinnen für Gendergerechtigkeit benennen Schwerpunkte und Herausforderungen in der Region Mittel- und Osteuropa – vom alltäglichen Balanceakt zwischen Gemeindearbeit und Familienleben bis hin zur Heilung der Verletzungen, die Frauen im kirchlichen Umfeld erleben.

Die beiden neuen Koordinatorinnen für Gendergerechtigkeit, Pfarrerin Elfriede Dörr aus Rumänien und Pfarrerin Michaela Púpalova aus der Slowakei. Foto: Privat, Elfriede Dörr
Die neuen Koordinatorinnen für Gendergerechtigkeit für Mittel- und Osteuropa berichten über Schwerpunkte und Herausforderungen in ihrer Region
(LWI) – Ein effektives Netzwerk aufzubauen, das die volle Teilhabe von Frauen und Männern am kirchlichen Leben in Mittel- und Osteuropa ermöglicht – das ist die Aufgabe von Pfarrerin Dr. Elfriede Dörr aus Rumänien und Pfarrerin Michaela Púpalová aus der Slowakei. Die beiden wurden kürzlich zu regionalen Koordinatorinnen des Netzwerks für Gendergerechtigkeit des Lutherischen Weltbundes (LWB) gewählt.
Dörr ist Referentin für ökumenische Beziehungen und pastorale Ausbildung in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien. Als eine ihrer wichtigsten Schwerpunkte nennt sie den Aufbau „eines tragfähigen Netzwerks, das es Frauen ermöglicht, an der Fülle des Lebens teilzuhaben, das Jesus uns verheißen hat“. Ihre Kirche war Gastgeberin eines Treffens vom 13. bis 15. Februar, zu dem Frauen aus Ungarn, Polen, Rumänien und der Slowakei zusammenkamen, um sich gemeinsam auf den Weg zu machen und Strategien zu entwickeln, um auf die besonderen Herausforderungen von Frauen in der Region zu reagieren.
Zwar gibt es in einigen Kirchen in Mittel- und Osteuropa schon seit Jahrzehnten die Frauenordination, doch die Berichte weiblicher Pfarrerinnen, die aufgrund ihres Frauseins „herabgewürdigt, belächelt oder abgewertet“ wurden – oft unterschwellig, aber manchmal aber auch ganz offen – schockierten Dörr. Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 30jährigen Jubiläum der Frauenordination in ihrer Kirche ergab sich für die Pfarrerinnen die Gelegenheit, sich über ihre Erlebnisse und Schwierigkeiten auszutauschen.
Weil Frauen Verletzungen erfahren haben, ist die gesamte christliche Gemeinschaft verletzt und braucht Heilung.
Pfarrerin Dr. Elfriede Dörr, Evangelische Kirche A.B. in Rumänien
„Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit“, zitiert Dörr das Pauluswort von der Kirche als Leib Christi. „Wir sind miteinander verbunden – in den Verwundungen wie in der Heilung“, fährt sie fort. „Weil Frauen Verletzungen erfahren haben, ist die gesamte christliche Gemeinschaft verletzt und braucht Heilung. Diese Erkenntnis hat Folgen für Frauen und Männer, für die ganze Kirche“.
Eine weitere Herausforderung, die beide Koordinatorinnen ansprechen, ist die Verwendung des Begriffs „Gendergerechtigkeit“ gerade in einer Region, in der das Konzept häufig missverstanden wird. „In unserer polarisierten Gesellschaft“, so Púpalová, „haben viele Worte ihre Bedeutung verloren und sind nur noch Worthülsen. Wir müssen Wege finden, über Gleichberechtigung zu sprechen, ohne dabei von der Gesellschaft in eine Schublade gesteckt oder verurteilt zu werden“.
Viele Gemeinden wollen aufgrund des Mutterschutzes keine jungen Frauen als Pfarrerinnen.
Pfarrerin Michaela Púpalová, Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Slowakischen Republik
Ein zweiter Schwerpunkt von Púpalová ist das Thema Mutterschutz für Pfarrerinnen, die oftmals bereits wenige Monate nach der Geburt wieder in den Dienst zurückkehren. „Wir müssen ein Netzwerk für Pfarrerinnen aufbauen, das sie dabei unterstützt, den Balanceakt zwischen Gemeindearbeit und Familienleben zu meistern, zum Beispiel auch, wenn die Kinder krank sind. Viele Gemeinden wollen aufgrund des Mutterschutzes keine jungen Frauen als Pfarrerinnen“, erklärt sie.
Púpalová wurde in der Evangelischen Kirche A.B. in der Slowakei ordiniert, eine der ersten lutherischen Kirchen, die die Frauenordination eingeführt hat – bereits vor über 70 Jahren. Durch die Geschichten von Frauen aus Kirchen, in denen die Frauenordination erst kürzlich eingeführt wurde, habe sie „neue Hochachtung für all die Frauen meiner eigenen Kirche, die um ihren Platz und ihre Stimme in der Kirche gekämpft haben“.
Bewusstsein schaffen, Verbindungen stärken
Die beiden neuen Netzwerkkoordinatorinnen möchten das Bewusstsein für die Situation von Frauen im Haupt- und Ehrenamt in der Region stärken und sich stärker mit anderen Teilen der LWB-Gemeinschaft vernetzen. „Wir müssen Wege finden, Frauen in ihren vielfältigen kirchlichen Diensten zu erreichen und Kontakte zwischen ihnen zu knüpfen, damit sie Kraft aus der Gemeinschaft schöpfen und ihre Erlebnisse und Herausforderungen miteinander teilen können“, sagt Púpalová.
Für Dörr ist die LWB-Initiative „Frauen-Geschichten“ (her-stories), die Lebenswege von Frauen aus den Mitgliederkirchen sichtbar macht, ein wirkungsvolles Instrument zur stärkeren Vernetzung und zum Erfahrungsaustausch zwischen Kolleginnen auf der ganzen Welt. Hoffnung schöpft sie auch aus der Empfehlung des LWB, sich dauerhaft an die Beschlüsse der Generalversammlung 1984 in Budapest zu halten, laut denen es keinen Unterschied zwischen dem ordinierten Amt von Frauen und Männern geben sollte.
„Am Beispiel Polens sehen wir, welche Auswirkungen dies auf die Beteiligung von Frauen im kirchlichen Leben haben kann“, sagt Dörr mit Blick auf die Einführung der Frauenordination in der polnischen Kirche im Jahr 2022. „Ich halte es für wichtig, den Mitgliedskirchen immer wieder Studien zu empfehlen, die empirisch belegen, wie förderlich die Einbindung von Frauen in Leitungspositionen ist“, fügt sie hinzu. „Beispiele aus dem kirchlichen, aber auch aus dem weltlichen Bereich zeigen zum Beispiel deutlich, dass Friedensprozesse erfolgreicher und nachhaltiger sind, wenn Frauen an den Verhandlungen beteiligt sind.“