„Ein kleines Stück Frieden“
Humanitäre Hilfe wird oft daran gemessen, wie viele Tonnen Lebensmittel oder wie viele LKW mit Hilfsgütern ihr Ziel erreichen. Hilfsdienstmitarbeitende des LWB erleben, wie die materielle Hilfe für die Menschen inmitten all der Konflikte und Katastrophen darüber hinaus zu einer Botschaft der Hoffnung werden kann.

Yevgen Sakunov in einer zerstörten Wohnung in Charkiw Foto: LWF Ukraine
LWB-Mitarbeiter: Bei humanitärer Arbeit geht es nicht nur darum, Hilfe zu leisten, sondern auch Hoffnung zu geben
„Ich helfe dabei, Schulen und Unterkünfte zu reparieren, damit Kinder in einer sicheren Umgebung leben können“, sagt Jewgen Sakunow, Bauassistent des LWB in der Ukraine. Er baut Fenster und Türen wieder auf, die durch Raketen- und Drohnenangriffe zerstört wurden, und hilft beim Aufbau von Untergrundschulen, damit Kinder in der vom Krieg zerstörten Stadt Charkiw ihre Ausbildung fortsetzen können.
Sakunovs Einsatzort wird täglich angegriffen. „Seit Beginn der groß angelegten Invasion wurden 220.000 Fenster zerstört. Leider sagen die Menschen, dass Charkiw zu einer Stadt ohne Fenster geworden ist“, fügt er hinzu. Für ihn geht es bei dieser Arbeit nicht nur um Reparaturen. Sie ist ein Symbol der Widerstandsfähigkeit, sagt Yevgen, denn sie ermöglicht es den Menschen, einen Teil ihres Lebens zurückzugewinnen – sei es ihre Wohnung, das Treffen mit Lehrern und Klassenkameraden oder die Möglichkeit, Sonnenlicht in ihre Häuser zu lassen: „Jede Wand, die wir bauen, ist ein kleines Stück Frieden.“
Kleine Gesten
Die gleiche Lektion gilt auch in anderen Teilen der Welt: Wenn Hilfsgüter Menschen in Not erreichen, vermitteln sie eine Botschaft, die über ihren materiellen Wert hinausgeht: dass es jemanden gibt, der sich um sie kümmert. Für diejenigen, die fast alles verloren haben, was ihr Leben ausgemacht hat, sind die Wiederherstellung von Hoffnung und Widerstandsfähigkeit ebenso wichtig, sagen die Mitarbeiter des LWB. Sie erleben jeden Tag, wie Hoffnung die Art und Weise verändern kann, wie Menschen mit Notlagen umgehen.
„Die Gemeinschaften, mit denen ich arbeite, sind selbst von ihrer eigenen Kommunalverwaltung im Stich gelassen worden“, sagt Fabián Flores González, WASH-Ingenieur beim LWB Kolumbien im Departamento Arauca. Die Menschen in Arauca leben mit der ständigen Bedrohung durch Guerillakämpfe und Drogenhandel. Gleichzeitig liegt das Departamento an der Grenze zu Venezuela und ist ein wichtiger Migrationskorridor, was für die bereits unter prekären Verhältnissen lebenden Menschen dort eine weitere Belastung ist (link: https://lutheranworld.org/de/news/kolumbien-hilfe-fuer-die-ueberlebenden-von-landminen ).
Der LWB ist eine der wenigen Organisationen, die in diesem abgelegenen und gefährlichen Umfeld seit mehr als 20 Jahren im Einsatz sind. Mitarbeitende wie González sorgen dafür, dass mehr als 39.000 Menschen Zugang zu Trinkwasser haben, ihre Existenzgrundlagen verbessern können und lernen, sich gegen Überflutungen und Erdrutsche zu schützen „Als humanitäre Organisation können wir dazu beitragen, dass sie sich ein wenig besser fühlen und sie deutlich mehr Stabilität in ihrem Leben finden“, sagt González.
Der Mensch im Mittelpunkt
Die globale Strategie des LWB-Weltdienstes 2025–2031 weist explizit darauf hin, dass es nicht allein um die Lieferung humanitärer Hilfsgüter geht. „Im Mittelpunkt aller unserer Einsätze stehen die Menschen, für die wir da sind und denen unsere Arbeit hilft: Geflüchtete, Binnenvertriebene, Heimkehrende, Aufnahmegemeinschaften und gefährdete Gemeinschaften“, heißt es in der Grundsatzerklärung.
Dieser auf Rechten basierende Handlungsansatz, der die Menschen in den Mittelpunkt stellt, bestimmt die humanitäre Hilfe und Entwicklungsarbeit des LWB. Er sorgt dafür, dass die Arbeit des Weltdienstes nicht nur Überleben und Existenzgrundlagen sichert, sondern den Menschen auch ihre Würde und Handlungsmacht wiedergibt.
„Die Geflüchteten, denen wir helfen, haben unvorstellbare Traumata erlitten: Gewalt, sexuelle Übergriffe, den Verlust geliebter Menschen“, sagt Peninah Akomolot, Projektbeauftragte beim LWB Uganda in Nakivale.
In Nakivale im Südwesten Ugandas leben ca. 160.000 Menschen, die vor Konflikten in der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda, Burundi, Somalia, Äthiopien und dem Südsudan geflohen sind. Die Ressourcen sind knapp, es fehlt ständig an Lebensmitteln, Wasser und einer grundlegenden Gesundheitsversorgung.
Und doch ist Nakivale auch ein Ort der Krisenbewältigung. Die Geflüchteten beackern Land, betreiben kleine Geschäfte und handeln mit den Aufnahmegemeinschaften. Nahrungsmittel, Wasser und Unterkünfte sicherten die lebensnotwendige Versorgung, so Akomolot, aber für den Lebenswillen sei es ebenso wichtig, den Menschen Hoffnung zu geben.
Diese kleinen, aber wichtigen Gesten werden zu einem Rettungsanker.
Peninah Akomolot, Uganda
„Es kann für Menschen in dieser Situation viel bedeuten, wenn ihnen einfach nur jemand zuhört, sie emotional stützt, und sie an einen Ort bringt, an dem sie sicher sind. Damit erhalten wir ihre Würde und geben neue Hoffnung, und das erinnert sie daran, dass sie nicht allein sind“, fügt sie hinzu.
„Diese kleinen, aber wichtigen Gesten werden zu einem Rettungsanker, der den Betroffenen hilft, den nächsten Tag zu bewältigen.“