Menschenrechtsrat: Glaubensperspektive zu Frauenrechten
Bei einer Nebenveranstaltung des Lutherischen Weltbundes (LWB) und verschiedener Partner bei den Vereinten Nationen haben Menschen aus aller Welt berichtet, wie inklusive Theologie, Graswurzel-Advocacyarbeit und interreligiöse Zusammenarbeit Geschlechtergerechtigkeit fördern und Menschenrechte schützen.

Fer Ghanaa Ansari von Musawah spricht bei der Nebenveranstaltung über die Reform des muslimischen Familienrechts. Foto: LWF/C. Kästner-Meyer
„Gott hat uns Menschenwürde und Geschlechtergerechtigkeit gegeben“
(LWI) – In einer Zeit, in der die Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit wachsenden Bedrohungen ausgesetzt sind, hat eine hochrangig Nebenveranstaltung unter der Überschrift „Holding the Line: Advancing Human Rights and Gender Justice in Shrinking Space“ (Wir bleiben dran: Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit in immer kleinerem Raum fördern) bei den Vereinten Nationen in Genf Stimmen von multilateralen Akteuren und der Zivilgesellschaft zusammengebracht.
Die Veranstaltung, die gemeinsam von den Ständigen Vertretungen Schwedens und Brasiliens, der EU, der ACT Alliance, dem Lutherischen Weltbund (LWB), dem Ökumenischen Rat der Kirchen und anderen wichtigen Partnern ausgerichtet wurde, konzentrierte sich auf gemeinsame Strategien zum Kampf gegen zunehmende Einschränkungen des Raums für gesellschaftliches Engagement, insbesondere für Frauen und marginalisierte Bevölkerungsgruppen.
Frauenrecht werden immer weiter zurückgedrängt
Die Diskussionsleiterin Joanna Lilja (ACT Schwedische Kirche) und Botschafter Magnus Hellgren, Ständiger Vertreter Schwedens bei den Vereinten Nationen in Genf, betonten die besorgniserregende Tendenz, dass die Rechte von Frauen und Mädchen zunehmend zurückgedrängt würden, und global ein Klima herrsche, das die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte zunichtemache.
„Überall auf der Welt beobachten wir einen beunruhigenden Anstieg des – religiösen, politischen und wirtschaftlichen – Fundamentalismus, der die Lehren unseres Glaubens verzerrt und sich des Glaubens bemächtigt, um Ungerechtigkeit zu rechtfertigen, Macht zu bündeln und Diskriminierung anzuheizen“, erklärte Pastorin Dr. Elaine Neuenfeldt, Programmmanagerin für Geschlechtergerechtigkeit bei der ACT Alliance.
Der Glaube ist nicht das Problem. Das Problem ist die Verzerrung des Glaubens. Und genau da müssen wir ansetzen.
Programm-Managerin für Geschlechtergerechtigkeit bei der ACT Alliance
Sie betont, wie wichtig eine Theologie ist, die auf dem Grundsatz „keinen Schaden anrichten“ beruht, und wie wichtig inklusive religiöse Auslegungen sind. „Der Glaube ist nicht das Problem. Das Problem ist die Verzerrung des Glaubens. Und genau da müssen wir ansetzen.“
Gott hat uns Menschenwürde geschenkt
Akteure, die aus dem Glauben heraus handeln, spielten bei der Veranstaltung eine zentrale Rolle und unterstrichen ihre Doppelrolle als moralische Stimmen und als Führungskräfte in den Gemeinwesen, denen die Menschen in den unterschiedlichen Kontexten vertrauten. „Die Kirchen haben in unserer Gesellschaft eine einzigartige Stellung“, sagte Mervin Sol H. Toquero, der Stellvertretende Generalsekretär des Nationalen Kirchenrats auf den Philippinen.
„Wir kommen nicht nur unserer Aufgabe nach, eine moralische Stimme in der Gesellschaft zu sein, sondern sind auch aufgerufen, gegenüber den Machthabenden für die Wahrheit einzutreten. Wir können unsere prophetische Stimme und unseren Einfluss nutzen, um die verschiedenen Menschenrechtsverletzungen anzuprangern, die den Raum für gesellschaftliches Engagement weiter einschränken, und gleichzeitig für den Schutz der von Gott gegebenen Menschenwürde und Geschlechtergerechtigkeit eintreten.“
Fer Ghanaa Ansari von Musawah, einer globalen Bewegung, die sich für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit im muslimischen Familienrecht und Familienpraktiken einsetzt, betonte die Bedeutung einer Reform des Familienrechts auf der Grundlage einer an Gerechtigkeit orientierten Auslegung des Islam. „Bei Gesetzen, die auf Gleichberechtigung abzielen, geht es nicht nur um Frauenrechte – es geht um Fragen der Gerechtigkeit, die uns alle im Alltag betreffen“, erklärte sie und erläuterte die allgemeinen Advocacy-Strategien von Musawah.

An der Podiumsdiskussion im Rahmenprogramm nahmen Menschenrechtsverteidiger aus verschiedenen Regionen und Organisationen teil. Foto: LWB/C. Kästner-Meyer
Diskriminierung ist Lebensrealität an der Basis
In einem Diskussionsbeitrag aus dem Publikum berichtete Epiphanie Nodjikoua Dionrang von einer lokalen Partnerorganisation des LWB im Tschad, die sich für Frauenrechte einsetzt, – Chadian League for Women's Rights – über die Schwierigkeiten, mit denen sie bei der Förderung von Frauenrechten in ihrem Land konfrontiert sind. „Wir leisten Frauen, die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt geworden sind, psychosoziale, medizinische und juristische Unterstützung“, erklärte sie. „Dafür werden wir angefeindet, werden wir belästigt, werden wir eingeschüchtert. Und obendrein werden wir verfolgt, weil wir dafür sorgen, dass sich die Regierung und die Behörden ihrem Teil der Verantwortung für diese Verbrechen stellen.“
„Nebenveranstaltungen beim UN-Menschenrechtsrat bieten Raum, die Lebensrealitäten an der Basis in die hochrangigen Diskussionen einfließen zu lassen“, erklärte Sikhonzile Ndlovu, die leitende Referentin für Gendergerechtigkeit des LWB. „Wir arbeiten mit vulnerablen Bevölkerungsgruppen zusammen, die oftmals stark von Konflikten, Vertreibung und Armut betroffen sind und wo geschlechtsspezifische Diskriminierung immer noch ein großes Problem ist und sich weiter verschärft. Veranstaltungen wie diese helfen, sicherzustellen, dass die konkreten Erfahrungen von Frauen und marginalisierten Bevölkerungsgruppen aus aller Welt den internationalen Menschenrechtsdiskurs prägen und nicht unbeachtet bleiben für Entscheidungen, die Auswirkungen auf das Leben dieser Menschen haben.“
Die Veranstaltung bekräftigte die Pekinger Aktionsplattform und rief zu einem engeren Bündnis zwischen Regierungen, den UN-Organisationen, der Zivilgesellschaft und Akteuren, die aus dem Glauben heraus handeln, auf. Lilja sagte abschließend: „In dieser Zeit der Rückschläge und der Gegenbewegung sind wir sehr dankbar für diejenigen, die ihre Stimme erheben. Ihr Mut weist den Weg in die Zukunft.“
Veranstaltungen wie diese helfen, sicherzustellen, dass die konkreten Erfahrungen von Frauen und marginalisierten Bevölkerungsgruppen aus aller Welt den internationalen Menschenrechtsdiskurs prägen und nicht unbeachtet bleiben für Entscheidungen, die Auswirkungen auf das Leben dieser Menschen haben.
Sikhonzile Ndlovu, leitende Referentin für Gendergerechtigkeit des LWB
„Als glaubensmotivierte humanitäre Hilfsorganisation mit langjähriger lokaler Präsenz kennen wir das Ausmaß dieser Krise und die zunehmende Gefährdung von Millionen Menschen aus nächster Nähe,“ heißt es in der Stellungnahme des LWB.
Indigene Gemeinschaften stark betroffen
Besonders schwer trifft die humanitäre Krise indigene Gemeinschaften im Amacuro-Delta, etwa das Volk der Warao. Sie leiden unter anhaltender Vertreibung, Umweltzerstörung durch illegalen Bergbau sowie mangelndem Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung und Bildung. „Kindersterblichkeit, Unterernährung sowie ein Mangel an sauberem Trinkwasser und medizinischer Versorgung gehören für diese Gemeinschaften zum Alltag“, betonte der LWB in seiner Stellungnahme.
Die zugrunde liegenden Daten stammen aus dem humanitären Länderprogramm des LWB in Kolumbien und Venezuela. „Als internationale humanitäre Hilfsorganisation mit religiösem Hintergrund können wir dank unserer kontinuierlichen Präsenz vor Ort besonders gefährdete Gemeinschaften unterstützen, sektorübergreifende Projekte umsetzen und uns ein unmittelbares Bild vom Ausmaß der Not machen“, erklärte Garcia vor dem Menschenrechtsrat. Sie stammt selbst aus Venezuela und war bis 2024 LWB-Länderbeauftragte für Kolumbien und Venezuela.
Menschenrechtsorientierte Maßnahmen erforderlich
In seiner Stellungnahme fordert der LWB eine humanitäre Antwort, die sich an den Grundsätzen der Menschenrechte, der Gerechtigkeit und der menschlichen Würde orientiert. „Hunger und Unterernährung sind Menschenrechtsfragen“, bekräftigte der LWB in seiner Erklärung und schloss sich damit der Position des UN-Sonderberichterstatters zum Recht auf Nahrung an.
Der LWB ruft alle Akteure dazu auf, die humanitäre Hilfe und die bestehenden Kooperationsmechanismen auszuweiten, den diskriminierungsfreien Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen zu gewährleisten und den Rechten sowie dem Wohlergehen der am stärksten betroffenen Gruppen – insbesondere indigener Gemeinschaften, Frauen, Kinder und Menschen mit Behinderungen – oberste Priorität einzuräumen.
Der LWB beteiligt sich aktiv an der 59. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats (16. Juni bis 9. Juli 2025) und engagiert sich insbesondere für die Menschenrechte im Irak und in Venezuela sowie für den Schutz von Frauen und Mädchen. Zudem ist der LWB an der Organisation einer Begleitveranstaltung beteiligt, die sich mit der Förderung von Rechten und Geschlechtergerechtigkeit in Zeiten schwindender zivilgesellschaftlicher Freiräume befasst, um den Stimmen der Gemeinschaften, denen er weltweit dient, mehr Gehör zu verschaffen.