Auch nach COP30: Intensive Advocacy-Arbeit für Klimagerechtigkeit weiter erforderlich
Nach dem Ende des diesjährigen Klimagipfels der Vereinten Nationen in der vergangenen Woche betonen die LWB-Delegierten, wie dringend notwendig ambitionierteres Engagement für Klimagerechtigkeit ist.
21. November 2025, Belém, Brasilien: Angehörige indigener Bevölkerungsgruppen stimmen am eigentlich geplant letzten Tag der COP30 auf der Bühne „Widerstandslieder“ an. Foto: LWB/A. Hillert
Ergebnisse des Klimagipfels spiegeln nicht dringende Schutzmaßnahmen für vulnerabelste Bevölkerungsgruppen wider
Zwar hatten die Verhandlungen auf dem Klimagipfel COP30 der Vereinten Nationen in Belém, Brasilien, mit einem eindringlichen Aufruf zu gemeinsamen Anstrengungen und gemeinsamer Verantwortung aller Vertragsparteien begonnen, aber wichtige Hindernisse auf dem Weg zu ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen konnten nicht überwunden werden. Mehrere Länder äußerten Vorbehalte in Bezug auf das globale Ziel der Klimaanpassung und die Schutzmaßnahmen.
Für die Delegierten des Lutherischen Weltbundes (LWB), die während des Gipfels vor Ort und online mobilisiert haben, war das Ergebnis eine Enttäuschung. Der Gipfel ließ im Ergebnis weder die ambitionierte Entschlossenheit noch die dringend notwendigen Maßnahmen erkennen, auf die sie gehofft hatten.
„Die Ergebnisse der Wissenschaft sind eindeutig: Wir müssen die CO2-Emissionen bis 2030 um 60 Prozent verringern, um das 1,5 °C-Ziel noch zu erreichen. COP30 hat zwar einige Fortschritte erzielt und einen Mechanismus für einen gerechten Übergang [Just Transition Mechanism] verabschiedet und das Ziel einer maximalen Erwärmung um 1,5 °C bekräftigt, aber das reicht bei Weitem nicht aus. Wir brauchen schnelle und konkrete Maßnahmen, keine leeren Versprechungen, um die Umsetzung des Pariser Abkommens zu forcieren und Menschen, die von der Klimakrise unmittelbar betroffen sind, schützen zu können“, sagte die LWB-Programmreferentin für Klimagerechtigkeit, Elena Cedillo, und erinnerte an den auf der COP21 erreichten Konsens, den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
„Das COP30-Paket enthält keinen Fahrplan für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, und dieses Versäumnis zieht sich durch alle offiziellen Beschlüsse. Gleichzeitig blieb die COP, die bei den Klimaanpassungsmaßnahmen deutliche Fortschritte erzielen sollte, weit hinter den Erwartungen zurück, und die Zusage, die Finanzmittel für die Anpassung bis 2035 zu verdreifachen, ist wenig ambitioniert und vage hinsichtlich der Verpflichtungen der entwickelten Länder und enthält keine Garantien, dass diese Mittel dem tatsächlichen Bedarf der sich entwickelnden Länder entsprechen werden. Die Klimaanpassung kann nicht auf vagen Versprechungen beruhen, sondern braucht eine Rechenschaftspflicht“, betonte Cedillo.
Arbeit geht weiter – durch Gemeinwesen, Kirchen und gläubige Menschen
Das Versäumnis, ambitionierte Entscheidungen in dem Maß zu treffen, wie es die am stärksten gefährdeten Länder und auch große Teile der Zivilgesellschaft und Gemeinschaften, die aus dem Glauben heraus handeln, gefordert hatten, so erklärten die LWB-Delegierten, erinnere uns daran, wie wichtig auch eine umfassendere Mobilisierung für diese Ziele sei.
Angehörige indigener Bevölkerungsgruppen singen auf ihrem Marsch durch den Veranstaltungsort der Konferenz „Lieder des Widerstands“ Foto: LWB/A. Hillert
LWB-Programmreferentin für Klimagerechtigkeit, Elena Cedillo, nimmt an einer Plenarsitzung auf der COP30 in Belém teil. Foto: LWB/A. Hillert
Schweigeminute während einer Plenarsitzung auf dem UN-Klimagipfel in Brasilien für die vielen tausend Menschen, die in Gaza ihr Leben verloren haben. Foto: LWB/A. Hillert
„So wichtig die UN-Klimagipfel als einzigartige Plattform für multilaterale Abkommen zur Bewältigung der Klimakrise auch sind, ist es doch nicht das erste Mal, dass die COP nicht in der Lage ist, Lösungen und Verpflichtungen in einem Umfang zu liefern, wie er von den unmittelbar betroffenen Gemeinschaften, den am wenigsten entwickelten Ländern und von Menschen, die sich aus dem Glauben heraus für Klimagerechtigkeit einsetzen, gefordert wird“, unterstrich Wiebke Zimmermann von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers, Deutschland.
„Für uns als Organisationen, die aus dem Glauben heraus handeln, und als Christinnen und Christen ist es wirklich wichtig, Ungerechtigkeiten beim Namen zu nennen, uns für mehr Klimagerechtigkeit zu engagieren und uns dafür einzusetzen, dass alle Bevölkerungsgruppen auf unserer Welt in gleicher Weise gehört werden und dass man sie beachtet und nicht ignoriert“, sagte sie. Es sei wichtig, so Zimmermann, lokale Gemeinschaften, die sich diesen Herausforderungen stellen, zu unterstützen, indem wir ihnen die Möglichkeit geben, ihre Initiativen zu koordinieren und einen Beitrag zum Aufbau einer Bewegung für Klimagerechtigkeit überall auf der Welt zu leisten.
Jorge Fernando Cunha von der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (IECLB) betonte, dass „die Länder mit der größten politischen Macht nach wie vor nur sehr widerstrebend ihre Pflicht zur Minderung der Folgen des Klimawandels anerkennen und auch deren Finanzierung nicht übernehmen wollen“.
Bestandsaufnahme in einer Plenarsitzung bei den Klimaverhandlungen in Belém. Foto: LWB/A. Hillert
UN-Generalsekretär António Guterres auf der COP30. Foto: LWB/A. Hillert
Es habe auch die Hoffnung gegeben, so Cunha, dass sich bei Themen wie zum Beispiel Geschlechtergerechtigkeit und Rechte indigener Völker mehr bewegen würde. Im Engagement für Klimagerechtigkeit müssen die Kirchen auch in Zukunft eine besondere Rolle übernehmen.
„Wir dürfen nicht vergessen, dass die Stärke der Kirchen und anderer Religionen darin liegt, dass sie nicht auf kurzfristige Erfolge aus sind. Wir geben die Hoffnung nicht auf, und da wir unseren Glauben haben, dürfen wir den Gedanken nicht zulassen, dass alles verloren ist, nur weil die internationale Politik nicht bereit ist, die Maßnahmen zu ergreifen, die für den Schutz der Schöpfung erforderlich sind“, sagte er.
Pfr. Lukas Gabriel Ulrich von der IECLB bestätigte, dass „die Klimakrise in vielfacher Hinsicht auch eine Krise des Glaubens ist. Aber als Menschen christlichen Glaubens unterscheiden wir nicht zwischen spiritueller, sozialer und ökologischer Gerechtigkeit. Wenn wir über den christlichen Kontext sprechen, dann sprechen wir über etwas, das ein und dasselbe Ganze ist.“
Klimaschutz an der Basis, lokal und global Zeugnis ablegen
Ein wichtiger Aspekt der Advocacy-Arbeit des LWB für Klimagerechtigkeit ist die Einbindung der Basis und der Ansporn zu konkretem Engagement auf lokaler und globaler Ebene.
Nach ihrer Teilnahme an den Klimakonferenzen sind die LWB-Delegierten bisher immer in ihre Heimatländer zurückgekehrt und haben dort überall auf der Welt kleinformartige Projekte in ihren eigenen Gemeinwesen durchgeführt, um in ihrem eigenen Lebensumfeld etwas zu bewirken und um die Initiativen für Klimagerechtigkeit als langfristigen Prozess und auf Dauer angelegte Verpflichtung zu etablieren.
Für Carine Josiéle Wendland war die Konferenz in ihrem Heimatland und insbesondere am Rande des Amazonas ein besonderes Erlebnis. „Die Teilnahme so vieler indigener Völker hat diese COP zu einem indigenen Gipfel gemacht. Ich glaube, dass dies Auswirkungen auf jeden Menschen auf der Welt und auch im Amazonasgebiet hat“, sagte sie. Die COP, so fügte sie hinzu, „war eine großartige Quelle der Inspiration, da sie ein beträchtliches kollektives Momentum entwickelt hat.“
Christine Moffett von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA) betonte, wie wichtig es sei, die Erfahrungen auf der COP zurück in die Ortskirchen zu tragen. „Ich bin überzeugt, dass es für die Glaubensgemeinschaften tatsächlich wichtig ist, sich weiterhin den moralischen Imperativ auf die Fahnen zu schreiben und auf die menschliche Komponente der Sorge um unseren Nächsten hinzuweisen“, sagte die ELKA-Programmdirektorin für Umwelt -und Energiepolitik.
Was wir als gläubige Menschen letztlich zu diesem Gipfel beitragen ist unsere enge Verbundenheit.
Konstantin Vergara, Lutherische Kirche in Chile
„Wir legen zu Hause in unseren Gemeinwesen öffentliches Zeugnis ab. Wir können uns hier auf viele Punkte einigen, aber später besteht dann die Gefahr, dass alles im Sande verläuft. Deshalb ist es so wichtig, dass wir Zeugnis ablegen in unseren Gemeinwesen, damit wir uns selbst daran erinnern, was die Staats- und Regierungschefs beschlossen haben und welche Verpflichtungen wir als Land, als Gemeinwesen und Kirche eingegangen sind.“
Aufbau globaler Advocacy-Gemeinschaft für Klimagerechtigkeit
Die Advocacy-Arbeit für Klimagerechtigkeit, so erklärte Cedillo, sei kein einmaliges Engagement nur für die COP. „Viele der jungen Delegierten sind auf nationaler Ebene in ihren Ländern aktiv, und manche werden sogar von ihren eigenen Ländern zur COP eingeladen. Sie werden zu Expertinnenn und Experten, die die öffentliche Stimme der Kirche verstehen und die Advocacy-Arbeit als einen laufenden Prozess mit mittel- und langfristigen Strategien ansehen. Das sorgt für eine echte generationsübergreifende Zusammenarbeit mit nachhaltiger Wirkung“, sagte sie.
Des Weiteren wies sie ebenfalls auf das lebhafte Interesse der LWB-Mitgliedskirchen hin, Teil der Delegation zu sein. „Dieses Jahr hatten wir 74 Bewerbungen von rund 40 LWB-Mitgliedskirchen. Für uns ist das die klare Botschaft, dass die Kirchen sich einbringen und über die Klimaverhandlungen informiert werden wollen, und sie wollen einen Beitrag leisten“, sagte sie abschließend.
Konstantin Vergara von der Lutherischen Kirche in Chile (ILCH) sprach ein Gebet: „Ich bete, dass Gott mir den Weg weist, dass Jesus Christus mir hilft zu erkennen, was ich hier und zu Hause in meinem Heimatland tun muss, und dass ich erkenne, wie ich den Menschen in meinem Umfeld helfen kann. Ich bete um Verständigung unter allen Menschen und darum, dass wir unsere besten Absichten verwirklichen, dass wir alle im guten Glauben handeln können, dass wir Egozentrik und Selbstsucht hinter uns lassen und dass wir uns wirklich gegenseitig verstehen, füreinander Sorge tragen und unseren Planeten bewahren“, sagte er und schloss mit den Worten: „Was wir als gläubige Menschen letztlich zu diesem Gipfel beitragen ist unsere enge Verbundenheit.“
Der LWB-Delegation bei der COP30 gehören Kirchenleitende – Männer, Frauen und junge Erwachsene – von allen Kontinenten an, was deutlich macht, dass die Fürsprachearbeit zu lokalen Lösungen für die Klimakrise animiert und politische Grundsatzentscheidungen zum Schutz der vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen in der Welt mitgestaltet. Bei der COP30 arbeiten sie mit der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien und anderen Akteuren, die aus dem Glauben heraus handeln, bei Online- und Präsenzveranstaltungen zusammen.